Nachhaltige Tragwerksplanung am Beispiel der Kletterhalle „Basislager“

Die mit dem Bayerischen Innovationspreis Ehrenamt ausgezeichnete Kletterhalle „Basislager“ in Bad Aibling verfügt als bundesweit erste Inklusionskletterhalle nicht nur über ein einzigartiges Nutzungskonzept. Auch in Sachen Nachhaltigkeit setzt die Halle Maßstäbe: Auf dem Dach. In den Wänden. Und nicht zuletzt beim Tragwerk, wo die LEICHT IngenieurInnen das gesamte Potential nachhaltiger Tragwerksplanung hoben. Über eine Planungsdisziplin, die den Energiebedarf und den Ressourcenverbrauch eines Gebäudes maßgeblich reduzieren kann.

Nachhaltiges Bauen: Nicht nur eine Frage der Bauphysik

Lange Zeit galt die Energiebilanz eines Gebäudes als aussagekräftigste Kennzahl, um dessen Nachhaltigkeit zu beurteilen. Folglich wurde – neben dem architektonischen Entwurf – die Bauphysik als einflussreichste Planungsdisziplin angesehen, um die Umweltfreundlichkeit eines Gebäudes zu steigern. Mit dem zunehmenden Fokus auf den Baustoff- und Ressourcenverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen rückt jedoch die Tragwerksplanung immer stärker in den Vordergrund. Aus gutem Grund: Schließlich stecken bis zu 90 Prozent der materiellen Ressourcen eines Gebäudes im Rohbau: also im Fundament, in den Decken, Stützen und Wänden. Entsprechend groß sind die Möglichkeiten für TragwerksplanerInnen, durch intelligente Tragwerksplanung Masse einzusparen und so die Nachhaltigkeit eines Gebäudes zu steigern.

Materialien, Querschnitte, Grundrisse, Modularität: Was eine Tragwerksplanung nachhaltig macht

In einer Studie kommt die Institution of Structural Engineers zu dem Schluss, dass ein durchschnittlicher Tragwerksplaner durch nachhaltige Tragwerksplanung jährlich rund 200 Tonnen CO2 einsparen kann. Das entspricht in etwa dem 20-fachen des CO2-Fußabdrucks eines durchschnittlichen Deutschen. Wo aber liegen die wichtigsten Stellschrauben für eine nachhaltige Tragwerksplanung? Vier Merkmale eines Tragwerks fallen hier besonders ins Gewicht.

Nachhaltiges Tragwerks-Material

Welche Materialen für ein Tragwerk in Frage kommen, hängt natürlich zuallererst vom Nutzungskonzept und den somit erforderlichen Materialeigenschaften ab. Darüber hinaus begünstigen unterschiedliche Materialien die Nachhaltigkeit eines Gebäudes auf unterschiedliche Art und Weise: Holz hat z.B. eine vergleichsweise gute CO2-Bilanz und ist ein nachwachsender Rohstoff. Beton ist weniger nachhaltig in Herstellung und Transport, überzeugt jedoch durch eine quasi unbegrenzte Nutzungsdauer.

Für das Tragwerk der Kletterhallte „Basislager“ kombinierte LEICHT Tragwerkselemente aus Holz, Stahlbeton und Stahl (nur Fluchttreppe außen).

Effiziente Querschnitte der tragenden Strukturen

Mit dem Querschnitt seiner Bauteile steigt die Masse eines Tragwerks – und damit die mit ihm verbundenen CO2-Emissionen. Optimierte, möglichst geringe Querschnitte ermöglichen dagegen einen minimalen Materialverbrauch, und erhöhen die Nachhaltigkeit eines Tragwerks so signifikant. In der planerischen Praxis werden tragende Bauteile meist nur zu 80 Prozent ausgelastet. Das bedeutet: Für eine Vielzahl an Tragwerken besteht ein Materialeinsparungs-Potential von bis zu 20 Prozent, das durch präzise Planung und entsprechende Studien zu realisieren wäre – natürlich ohne Sicherheitseinbußen.

Bei der Tragwerksplanung für die Kletterhallte „Basislager“ achtete LEICHT darauf, die Masse des Tragwerks möglichst gering zu halten. Dazu wurden Bauteil-Querschnitte errechnet, die sich an den tatsächlich zu erwartenden Lasten orientieren.

Flexible Grundrisse zur Erhöhung der Nachhaltigkeit

Flexible Grundrisse ermöglichen es, ein Gebäude bei Bedarf umzunutzen: es also auch anderweitig zu bespielen, als es das initiale Nutzungskonzept vorsieht. Hier bedarf es planerischer Weitsicht, um auch solche Nutzlasten vorherzusehen, die mit einer Umnutzung einhergehen.

Gerade in einer Kletterhalle liegt es nahe, dass früher oder später neue Routen und Kletterstrecken auch entlang solcher Wände und Bauelemente führen sollen, für die gemäß des initialen Nutzungskonzepts nur geringe Nutzlasten zu erwarten waren. Darum investierte LEICHT viele Überlegungen in die Tragstruktur der Kletterhalle. Das Ergebnis: ein flexibles Tragwerk, das vielerlei Umnutzungen gestattet, ohne dabei unnötige Masse auf sich zu vereinen.

Modulare Tragwerks-Bauteile

Einer der bedeutendsten Faktoren in der Nachhaltigkeitsrechnung eines Bauwerks ist seine Standzeit und Nutzungsdauer. Hier gilt ganz klar: Je länger, desto nachhaltiger. Dennoch kann es vorkommen, dass ein Gebäude rückgebaut werden muss. Wurden bei seiner Planung und Errichtung modulare Bauteile verwendet, können diese dann leicht demontiert und wiederverwertet werden.

Für das Tragwerk des „Basislager“ verwendete LEICHT ausschließlich modulare Tragwerks-Bauteile: Stahlbetonbauteile wie Liftschacht und Brandwand wurden in leicht rückbaubaren Fertigteilen ausgeführt. Für die tragenden Holzbauteile wurden Verbindungen gewählt, die bei Bedarf problemlos gelöst werden können. Auch die Stahltreppe wurde modular geplant, so dass alle Bauteile im Falle eines Rückbaus verlustfrei für eine Wiederverwendung erhalten bleiben.

Nachhaltigkeit durch Bauteilaktivierung und alternative Energieversorgung

Unter thermischer Bauteilaktivierung versteht man Heiz- oder Kühlsysteme, die die Speichermassen von Wänden, Decken oder Böden nutzen, in die wasserführende Rohrleitungen verbaut sind. So kann mit regenerativ bereitgestellter Wärme und Kälte geheizt und gekühlt werden.

Für das Dach des „Basislager“ plante LEICHT die Verankerungen einer Photovoltaik- und Solaranlage mit Wasserspeicher und Luftwärmepumpe, mit der die 950 qm fassende Beton-Bodenplatte der Kletterhalle ressourcenschonend geheizt und gekühlt werden kann. Die Wärmepumpe wird nur im Winter benötigt, um die Bauteilaktivierung und somit die Temperatur in der Halle auf das gewünschte Niveau zu bringen.

Energieeffizienz durch intelligente Umsetzung bauphysikalischer Maßnahmen

Eine intelligente Bauphysik ist Garant für eine effiziente Energieversorgung eines Gebäudes im laufenden Betrieb. Aber auch die bauliche Umsetzung der bauphysikalischen Maßnahmen hat Einfluss auf die Nachhaltigkeit eines Gebäudes.

Für die Bad Aiblinger Kletterhalle bearbeitete LEICHTphysics den Brandschutz und die Bauakustik. Dabei legten die IngenieurInnen von LEICHTphysics größten Wert darauf, durch intelligente Entwürfe die jeweiligen Schutzziele ohne Verkleidung der Bauteile oder andere größere Maßnahmen zu erreichen.

Bauherr: DAV Sektion Stützpunkt Inntal e.V. Bad Feilnbach

Architekt: Pyttlik Projekt Management GmbH, München

Fotos: LEICHT

Über die Kletterhalle „Basislager“ der DAV Sektion Stützpunkt Inntal e.V.

Das „Basislager“ liegt im oberbayerischen Bad Aibling und ist Deutschlands erste Kletterhalle für Inklusion. Die 17 m hohe Haupthalle und die 10 m hohe Übungshalle bieten Kletter- und Boulder-Begeisterten über 1.300 qm Indoor-Kletterwand, 600 qm Boulder-Bereich sowie ein Bistro. Weitere 400 qm Kletterwand befinden sich im Außenbereich der Halle.  Im „Basislager“ klettern Menschen mit und ohne Behinderung Seite an Seite, und leben ein selbstverständliches, inklusives Miteinander. Das Konzept wurde 2023 mit dem Bayerischen Innovationspreis Ehrenamt ausgezeichnet.